Frühlingspost: Streethockeyfans.ch – und das Gesicht dahinter
- sirindlisbacher
- 9. Apr.
- 7 Min. Lesezeit
Die Frühlingspost ist ein Clubmagazin des SHC Grenchen-Limpachtal. An dieser Stelle werden einzelne Auszüge daraus abgedruckt - wenn auch nur digital.
Der Name Marco Christen dürfte nur den wenigsten ein Begriff sein. Dabei ist er seit Jahrzehnten eine treibende Figur unserer Sportart. Und dies nicht unbedingt auf – sondern rund um die Spielfelder.
Nebst grossen Verdiensten in seinem Verein, dem SHC Bettlach, dient er Swiss Streethockey und war Vertreter in der ISBHF (Internationaler Streethockeyverband), dem internationalen Verband.
Den vielleicht grössten und wichtigsten Wurf landete Marco Christen mit der Gründung der Homepage streethockeyfans.ch. Und dies in einer Zeit, in der das Internet noch mehr Text als Bilder umfasste.
Dürfen wir also bitten, einmal zurückzuschauen? Auf Informationstools aus der Steinzeit und die alte, langsame Zeit?
Marco, du bist der Mann hinter Streethockeyfans.ch. Wer bist du?
Marco Christen: In erster Linie bin ich seit vielen Jahren Streethockey-Fan und durfte die Sportart in den letzten Jahren in vielen Funktionen kennen und lieben lernen. In Bezug auf streethockeyfans.ch wurde ich auch schon des Öfteren als «Klaus Zaugg des Street-hockeys» bezeichnet. Das mag im ersten Moment nach einer Beleidigung klingen, aber ich kann damit eigentlich sehr gut leben – einfach mit ein bisschen weniger Polemik.
Wie kam es dazu, dass du Streethockeyfans.ch ins Leben gerufen hast?
MC: Was mich damals genau dazu bewogen hat die Seite ins Leben zu rufen, kann ich nicht mehr genau sagen. Schon als Kind hatte aber der Beruf des Sportjournalisten auf mich eine grosse Ausstrahlung, man könnte von einem Traumberuf sprechen, auch wenn ich nie ernsthaft in Erwägung gezogen habe, diesen Traum zu verwirklichen.
Immerhin konnte ich ihn mir durch streethockeyfans.ch zumindest als Hobby doch ein wenig realisieren. Die WM in Sierre 2003 war dann der entscheidende Impuls, die Seite aus der Taufe zu heben, und sie ist bis heute – mit einigen längeren Unterbrüchen – geblieben.

Lange Zeit war es ruhig rund um Streethockeyfans.ch – bis zum letzten Jahr. Wieso hast du die Marke gerade jetzt wieder belebt?
MC: Als ich im Sommer 2023 mein Engagement bei Swiss Streethockey beendet habe, war ich zuvor während 20 Jahren immer irgendwo, irgendwie in einer Funktion rund unseren Sport tätig. Ich spürte, dass mir etwas Abstand guttun würde. Das gelang mir, allerdings nur bis ich im Frühjahr 2024 am Final Four in Kernenried war und die «alte» Liebe aufgefrischt wurde. Ich wollte jedoch frei von gebundenen Terminen und Verpflichtungen sein und so lag das Comeback von streethockeyfans.ch auf der Hand. Rückblickend kann man feststellen, dass Heim-Weltmeisterschaften die Ge-schichte von streethockeyfans.ch geprägt haben. Die Heim-WM 2003 markierte wie erwähnt den Startschuss der Seite, nach der WM in Zug 2015 kam das Projekt zum Erliegen und feierte nun vor der Heim-WM in Visp ein Comeback. Mal schauen was passiert, wenn die nächste Weltmeisterschaft in der Schweiz stattfinden wird 😊
Das Diskussionsforum auf streethockeyfans.ch war lange Zeit ja DIE Plattform rund ums Schweizer Streethockey.
Irrtum vorbehalten, wurde der erste Eintrag im März 2008 verfasst. In einer Zeit also, in der die noch eine andere war und das Forum somit den Nerv der Zeit traf, oder?
MC: Absolut ja, damals waren ja die heutigen Social-Media-Kanäle auch noch nicht so präsent, man holte und teilte seine Informationen wirklich noch im Internet vor dem PC und nicht via Smartphone. Ich erinnere mich auch, dass es daneben auch einige Blogs von Fans und Trainern gab, welche jeweils nach dem Wochenende die Spiele Revue passieren liessen. Da hat so manch einer am Montag die Arbeit erst aufgenommen, nachdem er sich durch die verschiedenen Streethockey-Berichte und Foren gelesen hatte.
Wie siehst du das Informationsbedürfnis rund um den Sport? Haben sich die Ansprüche geändert?
MC: Es gibt heute natürlich viele neue Möglichkeiten. Als ich zum ersten Mal in Kontakt mit Streethockey kam, wusste man teilweise bis Mitte der Woche noch nicht abschliessend wie am Wochenende gespielt wurde. Inzwischen sind auf der Seite von Swiss Streethockey die Resultate in Echtzeit abrufbar und mit einem Klick hat man, zumindest bei NLA-Spielen auch noch bewegte Bilder dazu. Dadurch ist vielleicht auch alles etwas schnelllebiger und oberflächlicher geworden, aber das ist nicht nur beim Streethockey, sondern in der Sportwelt generell so. Ein Matchbericht eines Eishockey-Spiels vom Vorabend beispielsweise liest sich heute wie ein historisches Dokument, weil ich eine Stunde nach Spielschluss schon alle entscheidenden Szenen serviert bekommen habe.
Die Angebote rund um die Resultate-SMS oder die Übersicht der Spielergebnisse der NLA im Teletext wären somit wohl nicht mehr so sehr gefragt? 😊
MC: Naja, der Teletext ist mir immer noch heilig. Das ist immer noch meine prioritäre Quelle für Sportresultate, aber das liegt halt daran, dass ich inzwischen auch ein alter Dinosaurier geworden bin.
Aber eben, die Möglichkeiten sind heute ganz andere. Wer will kann pausenlos Sportevents rund um den Globus konsumieren, in Tschechien oder der Slowakei werden inzwischen ja auch Streethockey-Spiele über Live-Streams übertragen. Ich bin sicher, dass dies in der Schweiz auch irgendwann Realität sein wird. Eine Realität, die ich aber natürlich sehr begrüssen würde.
Wie schätzt du die heutige Lage rund ums Streethockey ein?
MC: Mit gemischten Gefühlen. Zum einen sind da sehr gute Entwicklungen und Änderungen, die dem Sport guttun, ihn attraktiver machen. Grosse Sorge macht mir aber vor allem die fehlende Breite und dass sich die Sportart je länger je mehr zu einer Zweiklassengesellschaft entwickelt. Die NLA ist so wie sie sich heute präsentiert sehr attraktiv und im Grossen und Ganzen auch sehr kompetitiv. Dahinter aber klafft eine nie da gewesene Lücke, die immer grösser wird und sich wohl auch nicht so schnell wieder schliesst.
Was ist heute besser als früher?
MC: Die Sportart hat sich an der Spitze enorm weiterentwickelt. Wer in der NLA ein Wörtchen mitreden möchte, muss punkto Athletik und taktischem Verständnis einiges im Köcher haben. Auch gibt es einige Vereine, die hervorragende Arbeit im Nachwuchsbereich leisten, da spielt nicht zuletzt der SHC GreLi eine ganz grosse Rolle. Ich habe auch das Gefühl, dass der Umgang und Austausch unter den Vereinen sich in den letzten Jahren verbessert hat, sowohl neben wie auch auf dem Spielfeld.
Gibt es Dinge, die dir von früher fehlen?
MC: Vereine, mir fehlen vor allem zahlreiche Vereine von früher, die verschwunden sind. Wenn ich 20 Jahre zurückblicke und darüber nachdenke, wo alleine in unserer Region zwischen Biel und Olten Streethockey gespielt wurde, kommt Wehmut auf. Und mit den Vereinen ist auch der Konkurrenzkampf weitgehend verloren gegangen. Ich habe mit Bettlach selber erlebt, wie schwer es damals war einen Aufstieg aus der NLB zu schaffen, weil es einfach immer mehr Anwärter als Plätze in der NLA hatte. Dieses kompetitive Element ist leider völlig verschwunden. Ein Verein kann sich heute seine Liga, überspitzt gesagt, frei wählen, ohne sportlich einen Effort leisten zu müssen.
Du hast nebst deiner Arbeit rund um deine Homepage für den Sport ja noch viele andere Dienste verrichtet, oder?
MC: Tatsächlich durfte ich ganz viele Facetten der Sportart kennenlernen. In Bettlach war ich erst Trainer im Nachwuchs und später in der NLA, dazwischen auch noch mit der U16- und U18-Nati als Coach unterwegs. 2015 folgte dann der Wechsel ins zweite Glied, als ich während 8 Jahren für Swiss Streethockey tätig sein durfte.
Kurze Zeit vertrat ich dann sogar die Schweiz im internationalen Verband ISBHF.
Dazu gab es immer wieder speziellere Engagements, beispielsweise während der Covid-Zwangspause, als ich auf Anfrage des legendären Christian Nessier einen Podcast zum Thema Streethockey mitgestalten durfte.

Mit deinem Rucksack an Erfahrungen und Erlebnissen haben sich sicher viele Souvenirs eingebrannt. Kannst du uns an drei Momenten teilhaben lassen?
MC: Es fällt mir schwer drei konkrete Momente rauszupicken. Sicher waren die zahlreichen Reisen, die ich mit den Nationalmannschaften machen durfte, immer ganz speziell. Ich habe bis dato nicht weniger als acht A-Weltmeisterschaften vor Ort besucht, dazu kommen unzählige Nachwuchs WM’s und EM’s. Da hat es mich rund um den Globus an Orte verschlagen, die ich sonst niemals besucht hätte.
Mich hat es emotional auch immer sehr berührt, wenn Spieler, die ich als Nachwuchs-trainer begleiten durfte, Erfolge feiern konnten. Lukas Stäheli hat beispielsweise vor einigen Jahren an einem Vorbereitungs-turnier in einer Provinz Namens Gajary ein Tor gegen die Slowakei erzielt. Das ist für die Geschichtsbücher ein komplett irrelevantes Ereignis, aber in dem Moment trieb es mir das Wasser in die Augen, weil ich halt die ganze Entwicklung des Spielers miterleben durfte.
Ja und schliesslich hat es mich auch sehr berührt, als ich vor zwei Jahren zum Ehrenmitglied von Swiss Streethockey ernannt wurde. Das kam für mich sehr unerwartet. Ich hätte damals gerne noch ein paar Worte an die Versammlung gerichtet, aber ich hätte wohl keinen Ton über die Lippen gebracht. Ich war sprachlos, und wer mich kennt weiss, dass das kaum einmal vorkommt 😊
Schliesslich sind es aber vor allem die vielen tollen Begegnungen über Vereins-, Sprach- und Landesgrenzen hinaus, welche das Engagement für den Sport so lohnenswert gemacht haben.
Du bist lange dabei, hast die Szene immer rege verfolgt. Welche beiden All-Star-Formationen aus der guten alten Zeit und der Neuzeit würdest du gerne gegen-einander antreten sehen?
MC: Da stellt sich natürlich die Frage, wo die «gute alte Zeit» aufhört und wo die Neuzeit beginnt 😊
Bei den «Oldstars» würde ich Phil Schüpbach ins Tor stellen, in der Verteidigung Tibor Kapanek mit Roger Könitzer und im Sturm Bastien Casanova, Mike Müller und Michael Zürcher.
Eigentlich hätte ich auch gerne den Rindlisbacher Simu aufgestellt, aber der würde sich am Vorabend des Spiels wohl wieder beim «Chügele» die Bänder reissen 😊
Beim «Team Neuzeit» wäre Dean Brodard im Tor, Tim Müller und Lukas Stäheli in der Verteidigung und Offensiv würde ich Raphael Melliger zusammen mit Alessio Faina und Nicolas Wehrli laufen lassen.
Mit dem Jahr 2025 stehen wiederum 365 spannende Tage vor uns. Was sind deine Wünsche in Bezug auf unsere gemeinsame Leidenschaft, das Streethockey?
MC: Natürlich wünsche ich uns tolle, faire Spiele und dass grosse Verletzungen ausbleiben. Ich würde aber auch, über die 365 Tage hinaus, gerne sehen, wenn sich Spieler, Funktionäre und Zuschauer wieder etwas mehr von der Leidenschaft für den Sport anstecken lassen würden. Ich stelle fest, dass die Identifikation mit dem Sport und dem Verein nicht mehr so ausgeprägt ist, wie das vor einigen Jahren noch der Fall war, dabei hätte das Vereinsleben so viel mehr zu bieten als nur Trainings und Spiele.
Etwas, dass du sonst schon lange loswerden möchtest?
MC: Unser Sport steht und fällt mit dem Engagement vieler leidenschaftlicher Personen. Man kann diesen Leuten nicht genug danken und die Wertschätzung zum Ausdruck bringen. Ich denke hier vor allem an die Funktionäre bei Swiss Streethockey, die Schiedsrichter aber auch an alle Trainer und Vereinsfunktionäre, die sich täglich für den Erhalt und die Entwicklung unseres Sports einsetzen. Ich möchte vor allem die jüngere Generation dazu ermutigen, sich in irgendeiner Form zu engagieren. Man verdient dabei zwar kein Geld, aber die Erfahrungen und Momente, die sich daraus ergeben, sind in keiner Weise zu beziffern.
Der SHC GreLi-Familie wünsche ich für die Zukunft nur das Beste und freue mich darauf, auch in Zukunft, spannende Spiele im Eichholz (oder wo auch immer…) miterleben zu können.
Marco Christen
Gründer streethockeyfans.ch
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